Italien: Ende des Denkmalschutzes
Schon in seiner Zeit als Bürgermeister von Florenz nahm sich Matteo Renzi kein Blatt vor den Mund: Die Denkmalschutzbehörden seien ein Hinderniss auf dem Weg zur Modernisierung des Landes.
Sblocca Italia
Nun läßt der Premier ein weiteres Mal den Worten Taten folgen: Den Auftakt machte das Gesetzesdekret “Sblocca Italia” im September 2014, das den Weg für einen neuen Beton-Tsunami freigemacht hat.
Es folgte die Franceschini-Reform im Frühjahr 2015, welche die Organisationsstruktur der staatlichen und regionalen Denkmalschutzbehörden (“Soprintendenze”) erstmals gehörig umkrempelte.
Legge Madia
Den vorläufigen Schlusspunkt setzt nun der Gesetzesentwurf 1577/2015 (“Legge Madia”), der in diesen Tagen im Senat in Rom behandelt wird. Vordergründig geht es dabei um die Reorganisation der staatlichen Verwaltung.
Zwei Artikel innerhalb des Gesetzesentwurfes haben es allerdings in sich:
Artikel 3 und 8
Letzterer sieht vor, die regionalen Denkmalschutzbehörden als eigenständige Institutionen aufzulösen und dem Präfekten zu unterstellen. Noch weitreichendere Folgen wird aber Artikel 3 haben:
Gibt die Denkmalschutzbehörde nicht innerhalb von 90 Tagen ihr Gutachten zu einem vorgelegten Bauprojekt ab, gilt dies automatisch als Zustimmung.
Es ist unschwer vorauszusehen, dass die chronisch überlasteten und von Bürokratie gelähmten Behörden vielfach ihrem Auftrag nicht mehr nachkommen werden.
Widerstand
Inzwischen hat sich Widerstand in der Zivilgesellschaft formiert. Bekannte italienische Intellektuelle haben eine Online-Petition an den Minister verfasst, in der dieser aufgefordert wird, sich mit allen Mitteln diesem Vorhaben zu widersetzen.
Italien ist weltweit das Land mit der größten Dichte an geschützten Kulturdenkmälern. Ein wesentlicher Teil des Fremdenverkehrs stützt sich auf diese Tatsache. Die Anfänge des Denkmalschutzes gehen ins Mittelalter zurück und fanden ihren Höhepunkt im Artikel 9 der Verfassung, der erstmals weltweit in dieser Form den Schutz von Landschaft und Denkmälern festschrieb. Er wurde in der Folge in viele Verfassungen anderer Länder übernommen.
Betrifft uns nicht?
Süd- und Welsch-Tirol verwalten den Denkmalschutz autonom und sind deshalb nicht von dem Gesetz betroffen. Allerdings zeigen sich auch hier ähnliche Tendenzen von Seiten der Politik, wie im vergangenen Frühjahr zu erleben war.
Die faschistischen Denkmäler sind übrigens von der Denkmalschutz-Autonomie ausgenommen und unterstehen nicht Bozen, sondern dem Denkmalamt in Padua.
Falls vor dort also nicht innerhalb von 90 Tagen auf ein Abriss-Projekt geantwortet wird, könnte es in Zukunft eng werden, für Siegesdenkmal & Co…